Beschmutze deine Farben

   Meteorologie der Farben

   Meteorology of Colours

Beschmutze deine Farben

Als Maler vor Bildern zu sprechen, beinhaltet einen gewissen Wiederspruch. Es ist ein Wiederspruch zwischen Wort und Bild, Hören und Sehen. Vielleicht kann ich eine gewisse Parallelität zwischen dem Vorgang des Schreibens und Sprechens und dem Malen herstellen, aber keine Identität. Das eine ist nicht durch das andere zu ersetzen. [..]
Die Bilder von Peter Maschek verschließen sich einer inhaltistischen Kunstbetrachtung. Die da meint: "Was will uns der Künstler sagen?" Oder: "Was soll das darstellen?" Man kann aber den Inhalt nicht von der Existenz des Bildes loslösen, ohne dass dieser Inhalt seine Substanz verliert. Vielmehr ist der Inhalt die Summe all dessen, was auf der Bildfläche stattfindet. Weniger die Absichten des Malers sind wichtig, sondern vielmehr die Eigengesetzlichkeiten des Materials, die Struktur und Konsistenz der Malmaterie, der Pastosität, Transparenz und Leuchtkraft der Farbe, die zähflüssige oder leichte schnelle Pinselführung. Das Material bringt die Vorstellung hervor, das Bild an den Tag. Der Umgang mit dem Farbmaterial wird vom Dienst an der Nachahmung des Sichtbaren freigestellt, wird freigesetzt, wird autonom.
Peter Maschek geht - angeregt insbesondere von einem Studienaufenthalt in Schottland - von Landschaftserlebnissen und Stimmungen aus. Aber man sieht keine Häuser, Bäume, Wege, also keine Details einer bestimmten Landschaft, an denen der wiedererkennende Blick haften bliebe, keine konkreten Motive oder identifizierbare Orte, wohl aber Wolken, Meeresflächen, Landmassen, also die Elemente der nordischen Natur, vor allem aber die Erscheinungsweisen des nordischen Lichts: Andeutungen von vagen Spiegelungen, farbigen Schatten, lichten Nebeln, dunklen Schwaden, leuchtenden Schleiern, dampfendem Dunst und feinen Glanzpunkten lassen nur Ahnungen von Formen zu und verlangen Verzicht auf abgegrenzte Formen zugunsten eines Farbkontinuums, also dem Element des Bildnerischen, das dem Elementaren der Natur entspricht: das Universale im Gegensatz zum Gegenständlichen, gegenstandslos, aber doch welthaltig. Der Maler erzählt also keine Geschichte, auch keine Bildgeschichte, aber das Bild selbst hat eine Geschichte, da es unter der Hand des Künstlers nach und nach zur gültigen Form und Farbigkeit findet. Es entsteht langsam, wird fortschreitend Schicht um Schicht aufgebaut und entwickelt.
So gibt uns die angewandte Maltechnik des Künstlers Aufschluss: Es ist eine Lasurtechnik, eine optische Mischung der Farben, ein je nach Dicke des Farbauftrags mehr oder weniger Durchschimmern der unterlegten Farbtöne.
Erfunden wurde diese besonders "malerische Malerei" von Tizian und den venezianischen Malern im 16. Jahrhundert. Tizian sprach einmal von 30 oder gar 40 Lasurschichten. Auf einer dunklen Grundierung wurde zum Beispiel ein helles weißgemischtes Gelb als Unterlage für ein feuriges Rot, ein weißgemischtes Grün als Unterlage für ein kaltes Rot, zum Teil wieder abgewischt und durch Übergehen mit verschiedenen Farben der Umgebung angepasst. Durch das hauchartig dünne und schummernde Übergehen wurde dem Farbton die grobmaterielle Wirkung genommen und durch diese Farbbrechung jene rätselhafte Wirkung erreicht, die das Auge immer von neuem beschäftigt und sich nie erschöpft - eine Kunst der vielfältigsten Übergänge.
Tizian sagte auch: "Beschmutze deine Farbe". Damit wollte er sich provokativ absetzen von seinen Vorgängern, deren Bilder eine harte glasartige Farbschönheit aufwiesen. Im Unterschied dazu ließ er die Einzelfarben in einem großen, dämmrigen Gesamtton aufgehen. Das ist nur möglich durch vielfältiges Brechen der Einzelfarben, wodurch diese erst zum Leuchten gebracht werden, einem verhaltenem Glühen. Brechung der Farben bedeutet, dass zu grellfarbige Einzeltöne mit Kontrastfarben gebrochen werden, z.B. ein zu grelles Rot mit Grün, aber keine Gesamtschmutzlasur wie zum Teil im 19. Jahrhundert Anwendung findet. Zum Schluss werden auch Dickpastos, sogenannte Alla Prima, als Verstärkungen in die noch nicht ganz angetrocknete Farbschicht gesetzt. Daran erkennt man die Hand des Meisters. [..]
Mascheks Malerei ist, wie ich meine, aber auch von manchen Bildern des Norwegers Edvard Munch inspiriert, die sich in ihrer einzigartigen Faszination einer Beschreibung entziehen, die aber in der malerischen Umsetzung des nordischen Farblichts beeindrucken. Ein Licht als ob man nach dem Aufwachen die Augen aufschlägt, geblendet die Augen wieder schließt, in der Dunkelheit versinkt, in der das Licht des Tages gebrochen widerscheint. Eine Farbe enthält alle Farben. Alle Farben werden zu einer.
Helmut Sturm, Rede zur Ausstellungseröffnung im Cordonhaus 2002

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Meteorologie der Farben

Peter Mascheks Bilder sind wie Fenster; sie eröffnen Blicke in ein Kontinuum, das größer ist als das im Keilrahmen gezeigte Detail. Seine Farbkompositionen lassen machtvolle Prozesse erahnen. Im konkreten Ausschnitt der einzelnen Arbeit kristallisieren sie zum Bild, ihre stetige Dynamik reicht jedoch weit darüber hinaus.
Seine Bilder entstehen mit dem Pinsel. Kaum jemals zeichnet Maschek auf der Leinwand vor, oder experimentiert er in Skizzen. Vielmehr beginnt er unmittelbar mit der Farbe im Pinsel und baut seine Bilder langsam, in dünnen, lasierenden Schichten auf. Oft unterbricht er irgendwann den Prozess und stellt die unfertige Arbeit zur Seite, um sich mit frischem Blick andere wieder hervorzuholen. Maschek ist ein bedächtiger Arbeiter, der sich viel Zeit nimmt, lange einfach nur schauend und mögliche Entwicklungswege imaginierend; ein Sucher, der geduldig auf den Moment wartet, in dem sich plötzlich das Fenster öffnet und der Blick frei wird. Seine Bilder wachsen mit jeder neuen Schicht in die Tiefe. Sie gewinnen langsam an Transparenz. Die Schichten verschmelzen ineinander und lassen das darunter Liegende erahnen. Manchmal beginnt Maschek eine Komposition aus Blau- und Grüntönen mit einer vorbereitenden Untermalung in Rot, die dann auch noch im vollendeten Werk spürbar ist und alle anderen anwesenden Farben beeinflusst. Dieses Durchleuchten von Farbtönen in oft kontrastgeladener Leuchtkraft formt die Bilder zu organischen Gebilden von hoher Kohärenz.
Viele essenzielle Entwicklungen haben ein auslösendes Schlüsselerlebnis, das einen zuvor schon anwesenden Wunsch oder eine Frage konkretisiert und bewusst macht. Für Peter Maschek war sein Studienaufenthalt in Edinburgh im Jahr 1994 sicher ein entscheidender Moment. Hier konnte er Landschaft neu wahrnehmen und fand über diese unmittelbaren Erlebnisse zu bildnerischen Formulierungen, die die Grenze zur Abstraktion überschritten. Schon damals in intensiver Auseinandersetzung mit dem spezifischen Licht- und Farbbegriff in der Bildsprache der skandinavischen Malerei, wie er in der Malerei Edvard Munchs aber auch Per Kirkebys zu sehen ist, entdeckte er in den Landschaften und Himmeln Schottlands ein Thema, das als Ausgangspunkt für seine Reise zum Grat zwischen Abstraktion und Figuration diente.
Ich möchte Peter Mascheks Malerei auch da, wo sie keine ganz eindeutig identifizierbaren Verweise auf Landschaft oder Himmelsbild zeigt, welche ja manche seiner Kompositionen prägen, "atmosphärisch" nennen. Die Schichtung der Lasuren ist per se ein Äquivalent zum atmosphärischen Raum mit seiner Tiefenstruktur, die gestaffelt sein oder fließend verlaufen kann. Aber auch die Aggregatzustände der Farbe in den Bildern haben sowohl die Qualität von Luft als auch von Wasser. Und ihre Kraft erwächst aus dem Licht, das die Elemente durchflutet und zusammenhält.
Gerne entfaltet Maschek einen Dialog zwischen wolkigen, weich aufgetragenen Farbballungen und stark verdünnten, klar konturierten Pinselstrichen, die teilweise in Tropfenbahnen auslaufen. Diese Farborganismen changieren permanent zwischen "impressionistischem" Naturabbild – Küstenlinien, Höhenzüge, Wolkenstimmungen - und reiner sinnlicher Präsenz der puren Farbe, die sich ganz konkret als Ton und Struktur in ungegenständlicher Komposition mit anderen Tönen und Strukturen wahrnehmen lässt. Vor Mascheks Bildern wird mir klar, wie fließend generell der Übergang zwischen Figuration, Abstraktion und reiner konkreter Präsenz von Farben und Formen ist, wie ganz grundsätzlich meine Wahrnehmung auch in solchen Bildern, in denen vom Autor keinerlei abbildender Bezug intendiert ist, immer nach Strukturen sucht, die "etwas darstellen" könnten.
Mit der Metapher des "Atmosphärischen" meine ich einen proteischen Zustand, der voller Energie und Dynamik steckt und in einem Prozess ständiger Verwandlung begriffen ist, in dem Fülle und Leere, Konzentration und Auflösung, Gleichmaß und Turbulenz in einer permanenten Wechselbeziehung stehen; in dem – und das ist das essenzielle Wesensmerkmal des Atmosphärischen – Energien sichtbare Gestalt annehmen. Leonardo da Vincis malerisch-geistiger Begriff des "Sfumato", des verschleierten Zustands, ist eine reichlich strapazierte Referenz im Schreiben und Reden über Kunst. Dennoch geht mir angesichts von Peter Mascheks Bildern dieser Begriff, der offensichtlich bereits für Leonardo mehr bedeutete als nur einen technischen Kunstgriff, nicht aus dem Kopf,. "Sfumato" ist in diesem technischen Sinn die optische Wirkung einer vielschichtigen Lasurmalerei, die unergründliche Tiefe und geheimnisvolle Diffusität suggeriert. Im übertragenen Sinn meint "Sfumato" aber auch die Klimax im kreativen Prozess, jenen Zustand, in dem alle Sicherheiten in Frage gestellt werden, die bewusst zugelassene oder herbeigeführte Verunklärung des Eindeutigen und Vermischung des normalerweise Getrennten.
Das "Sfumato" des schöpferischen Geistes ist ein enger Verwandter der Melancholie, einer Befindlichkeit, die Peter Maschek als Zustand des kontemplativen Verharrens vertraut und als kreative Grundstimmung durchaus willkommen ist. Was sich aus der Anschauung seiner Bilder eindrücklich vermittelt, macht er, wenn er über seineArbeit spricht, explizit zum Thema. Maschek hat ein sehr klares Gefühl von der engen Verbundenheit geistiger und malerischer Prozesse, welcher er sich nicht nur bewusst ist, sondern die er als eine wesentliche Ausdrucksqualität seiner Bilder sieht.
Meteorologie ist die Kunde von der Physik der atmosphärischen Kräfte, von Energien, die sich in Stimmungen manifestieren. Ich mag Peter Mascheks Bilder, weil ich in ihnen physikalische Energie und ästhetische Stimmung ebenbürtig wahrnehme. Analyse und Poesie sprechen aus seinen Arbeiten. Ruhig und überlegt erforscht er die Schönheit purer malerischer Mittel und wenn er mir Assoziationen an Naturbilder anbietet, so sind dies nicht Bilder nach der Natur sondern freie Komposition, die weit entfernt von jedem Realismus nur eben die Möglichkeit einer Naturähnlichkeit in sich tragen. Das ist freie, selbstbewusste Kunst.
Thomas Huber

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Meteorology of Colours

Peter Maschek's paintings are like windows, revealing outlooks into spaces which are bigger than the detail shown in the wedged frame. His colour compositions allow us to assume powerful processes behind. With the concrete detail of each single work crystallizing into a picture while their permanent dynamism goes far beyond this scope.
His tool is the brush. Hardly ever Maschek does any foredrawings or sketches on the screen. He rather starts off with the paint on the brush, constructing his paintings very slowly and in thin shades of varnish. Quite frequently he interrupts this process, putting the unfinished work aside to take a fresh look at older ones. Maschek is a thoughtful worker who takes his time - watching - imagining eventually new perspectives; a seeker, patiently waiting for a window to open up and reveal new horizons. With every new layer his paintings are gaining profundity and transparency. The different layers are melting into each other, giving us ideas of foregoing layers. Sometimes Maschek begins a composition of blue and green with a precoloring of red which is still perceptible in the finished work and which influences all other colours in the painting. It is this shining through of shades of colour which shapes the paintings into organic and highly coherent structures.
Many essential developments can be traced back to a key experience which makes one conscious of an already preexisting wish or desire. For Peter Maschek his stay in Edinburgh certainly was such a decisive moment. That was the place where he learned to perceive landscapes anew and find new imaginative formulas which enabled him to transgress the borders to abstraction. Already at that time he was deeply involved in analyzing the specific ideals of light and colour as they can be found in the Scandinavian school of painting, as for example in the paintings of Edvard Munch and Per Kirkeby. The landscapes and skies of Scotland served as his point of departure for his voyage to the ridge between abstraction and figurative painting.
Even then where Peter Maschek's painting does not give clear evidence of a land- or skyscape, as some of his compositions obviously do, I would like to apply the term 'atmospheric'. The layers of varnish are the equivalent to atmospheric space and its structures of profundity - structures which may be be graded or continuous. But also the states of the colour in the paintings possess the qualities of water as well as of air, gaining their strength from the light which permeates the elements and keeps them together.
Maschek likes to unfold a dialogue between cloudy, softly applied clusters of colour and highly diluted, clearly contured strokes with the brush, occasionally running out into drops. These colour organisms are permanently balancing between the 'impressionistic' depiction of nature (coastlines, hill ranges, cloud sceneries) and the purely sensual presence of sheer colour which may be perceived quite specifically as shade and structure in an abstract composition with other shades and structures. In front of Maschek's paintings it always becomes clear to me how fluid the transgression between figuration, abstraction and the mere immediate presence of colours and forms actually is, just as my own perception is always looking for structures which might 'depict something' even in those pictures where the author has not intended any kind of figurative reference.
By employing the metaphorical term 'atmospheric' I'm thinking of a kind of proteic process, full of energy, dynamism and being in a state of permanent change, where abundance and emptiness, concentration and dissolution, balance and turbulence are permanently interacting with each other; I'm thinking of a process where - and that's the essential characteristic of the term 'atmospheric' - energy is turning into visible structures.
Leonardo's artistical and spiritual term of 'sfumato', the veiled condition, is an almost too frequently applied point of reference in articles and discussions on art. And yet, to me this term seems extraordinarily appropriate for describing the quality of Maschek’s paintings, for quite obviously even for Leonardo this was far more than just a purely technical expression.
In this technical sense 'sfumato' is the optical effect of a complex varnish painting, suggesting enigmatic profundity and mysterious vagueness. In a metaphorical sense 'sfumato' also denotes the climax in the creative process, the state in which all certainties are questioned, the consciously admitted or provoked concealment of the unambiguous and the mixing-up of normally segregated spheres.
The 'sfumato' of the creative spirit is closely related to melancholy, a condition well known to Peter Maschek as a state of contemplative rest and welcome to him as a basic mood for further creativity. Whatever comes through when looking at his pictures, he explicitly declares as his main subject whenever he talks about his work. Maschek has a very concise feeling of the close relationship between mental and artistic procedures and not only is he fully aware of their kinship but considers it to be an essential quality of his paintings.
Meteorology is the science of the physics of atmospheric forces, of energies manifesting themselves in moods. I like Peter Maschek's paintings because they allow me to feel their physical energy and aesthetic mood in an adequate way. Poetry and analysis are equal partners in his works. With great calm and thoughtfulness he explores the beauty of what may be called just basic painters tools and whenever he offers me associations of nature then these associations are not in any way paintings after nature, but free compositions, far away from any realism and only containing within themselves a potential resemblance to nature.
This is free and self-conscious art.
Thomas Huber (Translation: Dr. Christian Kelnberger)

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